WOLFGANG FÜNFGELD . 31 März 2020 . 0 comments

auf der Suche nach Qualität (6)

Systemdesign / Kunst oder Kasten

als Vorläufer des Systemdesigns könnte die Typisierung bezeichnet werden, die schon 1914 einen heftigen Streit ausgelöst hatte. Anlässlich der Werkbundausstellung 1914 in Köln debattierten zwei führende Architekten und Möbeldesigner Hermann Muthesius und Henry van de Velde kontrovers über die Typisierung gegenüber der individuellen Gestaltung. Die künstlerische Freiheit des Entwerfers darf durch "Maschinenkunst" nicht eingeschränkt werden. Die Befürworter der Typisierung verneinten vehement eine Einschränkung der Gestaltung und sprachen von einer heilsamen Konzentration auf das Wesentliche durch die Typisierung. Diese Gegensätze waren auch permanent Streitpunkte innerhalb des Bauhauses in Dessau. Nach Kriegsende setzte sich anfänglich in der BRD mit der hfg Ulm eine stärker methodische und systemische Gestaltung durch. In der DDR wurde 1949 die Bauhaus Moderne in einer Formalismus Debatte verurteilt, obwohl zu diesem Zeitpunkt Gustav Hassenpflug an der Hochschule für Baukunst und bildende Künste in Weimar, mit der Entwicklung von sog. Baukastenmöbeln bereits den Schritt zum Systemmöbel vollzogen hat.

Walter Ulbricht persönlich verwarf die Baukstenmöbel zusammen mit dem Bauhausstil als volksfeindliche Erscheinung: Die Baukastenmöbel, die Ihre Profilosigkeit mit der Zusammensetzbarkeit der Möbel begründen, sind unschön und ungeeignet die Wohnung des werktätigen Volkes wohnlich zu machen. Geschichtlich betrachtet war dies nicht der einzige Irrtum der DDR Führung.

Hans Gugelot an der hfg Ulm entwarf 1959 das Möbelsystem M 125 das gegenüber den Baukastenmöbeln von Hassenpflug schon deutlich variabler war. Nach Schließung der hfg Ulm verlor das Systemdesign in der BRD an Bedeutung und in der Postmoderne ab 1975 setzte sich eine Gestaltung die Individualismus propagierte durch.

In der DDR vollzog sich ein Umdenken. Das Bauhaus wurde rehabilitiert und es entwickelte sich ab 1960 ein Systemdesign das sogar die individuelle Freiheit der Kunden bei der Gestaltung in den Vordergrund stellte. Ein Möbelsystem mit dem Namen MDW wurde von dem Designer Rudolf Horn 1966 an der Hochschule für industrielle Formgestaltung in Halle zusammen mit den VEB Deutsche Werkstätten Hellerau entwickelt.
Das offene Prinzip der MDW Möbel ist Programm und ein Begriff aus der Formgestaltung der DDR. Dieses Möbelprogramm war sehr erfolgreich und wurde 24 Jahre lang, bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 produziert. In der BRD hingegen, vor dem Hintergrund von Konsum und Luxus, entwickelte sich eine Designkritik die den Umwelt- und Ökologiegedanken stärker in die Produktgestaltung einbezogen. Diese Umwelt- und Ökologischen Aspekte sind, mit wenigen Ausnahmen, leider nur auf das Produktentdesign bezogen worden. Die Möglichkeiten des Systemdesigns in Kombination mit Ökologie und Umwelt wurden bisher wenig beachtet.


als PDF ein Vortrag von Prof. Siegfried Gronert
das offene Prinzip / Individualisierungstendenzen in Design und Formgestaltung BRD / DDR Basel 2018

Gronert-offenes-Prinzip-Vortrag.pdf

 

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